Über den Tod

20.05.2016 / / Literatur & Poesie
Stark verwurzelter Baum

die haare stehen wirr vom kopf ab.

und mit augen in tiefliegenden höhlen glanzlos ins nichts glimmend,

liegt er da, der mann, und erinnert sich; vielleicht.

unter seiner krankenhausdecke lugen schläuche hervor,

mit ihnen ist er heute nacht alleine.

 

er wartet auf den letzten zug,

sein ritt vorbei, die spuren vom letzten galopp schon lange dahin.

wenn er glück hat, nimmt ihn noch jemand in den arm und streichelt sein gesicht

oder sein haar, das ihm der tod im voraus genommen.

 

morgen ist es soweit. morgen ist der tag.

soweit hat es kommen müssen, dass dieser tag kommt.

es wird still in ihm, der tod klopft an, leise.

er drängt ihn zu gehen. wer will schon gehen, wenn es am schönsten ist?

So jung kommen wir nicht mehr zusammen, flüstert etwas.

 

dann dröhnen die vögel vorm fenster. welchem fenster?

dann quillt das apfelmus neben dem bett über. welchem bett?

dann schreien die patienten, die ärzte, die welt am gang vor der tür.

zuletzt stürzen die wände ein.

 

der mann schläft, träumt. reitet übers meer.

steht am gipfel, überblickt die welt, taucht unter und auf, holt luft.

ein letztes, ein vorletztes mal, die brust hebt sich und er taucht ein ins tal.

grüne wiesen; er kann sie sehen. musik von schubert; er kann sie hören.

lachende kinder; er spürt sie in sich. weiße gipfel; irgendwo in der ferne.

ihm wird kalt und die brust hebt sich zum letzten zug.

 

das einhorn holt ihn ein. er steigt auf, folgt dem drachen und gibt auf.

der zug fährt ab. die brust mag sich nicht mehr heben und das welke haaaar steht sinnlos ab vom schädel.

Markus Pühringer
Werdegang: Journalist, Autor und Vater. Was mich antreibt: Philosophie, Menschen und Sport. biography: journalist, author and father. what moves me: philosophy, people and sport.

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